Präzise Aussagen über die Festigkeit einer Bindenaht lassen sich kaum oder nur sehr schwer treffen. Neue Simulationsmodelle sollen Vorhersagen zur Bindenahtfestigkeit ermöglichen.
Grundsätzlich gelten Bindenähte als Stellen mangelnder Festigkeit am Formteil. Sie entstehen, wo sich in einem Spritzgießwerkzeug der Schmelzfluss an einem Hindernis in mehrere Ströme teilt und anschließend wieder zusammenfließt. Die als Linie sichtbare Bindenaht (Schweißlinie, Fließlinie) bildet sich an den sich begegnenden Fließfronten. Sobald ein Spritzgießwerkzeug Einsätze für Bohrungen oder ähnliches aufweist, erhöht sich das Bindenahtrisiko. Zu rasches Abkühlen der Schmelze an der Formwand des Werkzeugs führt dazu, dass sich der zusammenfließende Massestrom nicht mehr optimal verbindet. Kleine Kerben entstehen, die eine festigkeitstechnische Schwachstelle darstellen und das bis zur Hälfte der Grundfestigkeit! Mechanische Belastungen an diesen Stellen können vorzeitigen Ausfall verursachen. Ein Bruch verläuft meist entlang der Bindenaht. Um das Versagen des Formteils in der Produktentwicklung zu verhindern, sind Prognosen zu der Bindenahtfestigkeit erforderlich.
Zugversuche und Simulationsmodell
Die Simulationstools für Kunststoffspritzteile können bereits sehr gut die Positionierung und die Ausmaße einer Bindenaht darstellen. Die Ermittlung der Bindenahtfestigkeit ist wegen der zahlreichen Faktoren nur abstrakt möglich. Hier kommen Zugversuche zum Einsatz. Mit diesen Versuchen lässt sich die Festigkeit der Bindenaht unter Zugbeanspruchung mechanisch in mehreren Durchführungen messen und bewerten. Das Ergebnis ist eine Annäherung an die reale Festigkeit der Bindenaht.
Die Bindenaht vermeiden
Das Entstehen von Bindenähten ist bei komplexen Formteilen oft nicht zu vermeiden. Besonders wenn das Bauteil nicht viel Spielraum für Anpassungen zulässt. In der Entwicklungsphase können die Konstrukteure des Werkzeugs auf gängige Praktiken zurückgreifen, um die Naht zu vermeiden. Diese rufen aber im Gegenzug andere Nachteile hervor, wie längere Zykluszeiten oder einen erhöhten Energieverbrauch.
Durch den Einsatz von dynamischer High-Speed-Temperiersysteme im Spritzgusswerkzeug, die ein punktuelles und konturnahes Wärmeenergie-Management ermöglichen, lassen sich Bindenähte vermeiden. Und das ohne die Verlängerung des ganzen Prozesses und auch ohne die Erhöhung der eingesetzten Energie. Im Hinblick auf die Nachhaltigkeit ein wichtiger Punkt. Qualitätsmängel wegen fehlender Bindenahtfestigkeit lassen sich damit bereits im Vorfeld ausschließen.